Einwöchiger Workshop im August 2010 mit allen Preisträgern des Concrete Design Competition 2009/2010 in Istanbul

Lukas Stopczynski ist froh, noch studieren zu können – sagt er. Lukas ist einer der Preisträger des letztjährigen Concrete Design Competition. Wir haben ihn interviewt. Vor allem, weil wir wissen wollten, was die „ehemaligen“ (bzw. noch amtierenden) Preisträger zurzeit so machen. Wir wollten auch wissen, was von den Erfahrungen eines Wettbewerbs, eines Workshops und dem internationalen Austausch übrigbleibt – und vielleicht nützlich ist.

Lukas, Du warst Preisträger des Concrete Design Competition 2010. Studierst Du noch oder bist Du mit dem Studium fertig?
Ich bin froh, noch etwas weiterstudieren zu können! Nach einem Auslandspraktikum in Polen beim Architekturbüro MedusaGroup / MedusaIndustry und dem Zentrum für zeitgenössische Kunst „KRONIKA“ bearbeite ich gerade in meinem 3. Mastersemester – an der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart – ein urbanistisches Forschungsprojekt in Polen als Stipendiat der Studienstiftung des Deutschen Volkes im Stipendienprogramm „Metropolen in Osteuropa“ unter Betreuung von Prof. A. Quednau. Mit der hervorragenden Unterstützung und den Freiheiten an der Akademie freue ich mich, die letzten Semester noch intensiv nutzen zu können!

Worum geht es bei dem Forschungsprojekt?
Der Titel meines Forschungsprojekts lautet „Urban transformations for an alternative tourism in post-industrial Silesia“. In meiner Forschungsarbeit möchte ich das Potential von urbanen Interventionen in und an dysfunktionalen Flächen innerhalb der Metropolenregion Kattowitz zur Entwicklung einer alternativen Tourismusform sondieren – die wiederum Auswirkungen auf die Region und die Erschließung der „freien Flächen“ haben soll. So habe ich die Möglichkeit, an Schwerpunktthemen meiner letzten Projekte zur Landschaftswahrnehmung, Tourismusentwicklung und Tourismusauswirkungen sowie Raumerlebnis einer kontextbezogenen Architektur als Vermittler zwischen Landschaft und Mensch zu forschen und Ideen weiterzuentwickeln – und das in meiner einstigen Heimat!

Das klingt sehr komplex und geht vor allem weit über das klassische Verständnis von Architektur und Stadtplanung hinaus. Welche Vermittlerrolle nimmt dabei die gebaute Umwelt ein?
Für mich nimmt Architektur in diesem Zusammenhang eine katalytische Funktion ein, welche den Betrachter für seine Umgebung sensibilisiert. Sie soll den urbanen Menschen aus seiner Losgelöstheit zu einem symbiotischen bzw. natürlichen Verhältnis zur Umwelt führen. Im Prinzip geht es um eine „Erweiterung der Sinneswahrnehmung“ – in etwa so, wie Hans Hollein es in seinem Text „Neue Medien Architektur“ beschreibt. Die architektonische Intervention an den innerstädtischen „Brachen“ soll als Lesehilfe für verborgene Transformationsprozesse dienen und so ein Bewusstsein für deren Potential schaffen.

Hierbei sehe ich Touristen in einer Pionierrolle. Ihre erhöhte Wahrnehmungsbereitschaft und Mobilität versetzen sie in die Lage, diese Interventionen – oder Aktionen – zu nutzen und damit die Fläche in das städtische Leben zu reintegrieren. Erreicht werden könnte so eine überregionale Signalwirkung für die gesamte Metropolenregion.

Ausschnitt aus dem Projekt AK344, mit dem Lukas 2010 den Concrete Design Competition 2009/2010 gewonnen hat.

Einige dieser Themen waren auch Bestandteil der Concrete Design Masterclass 2010 in Istanbul. Welche Aspekte davon spielen bei Deinem laufenden Forschungsprojekt eine Rolle?
Rückblickend auf die Masterclass mit Valerio Olgiati finden sich in meinem Projekt Aspekte der von uns in Istanbul angewandten Methode zur Analyse der Stadt wieder. Konkret die Bedeutung des Stadtspaziergangs, wie sie Lucius Burckhardt u.a. in seiner Theorie der Promenadologie beschreibt.

Du hast 2010 zum Thema „Monolithic“ mit einem Projekt gewonnen, welches mit Beton arbeitet, Architektur aus Beton entwickelt und über monolithische Strukturen reflektiert. Nutzen Dir die Erkenntnisse aus dem damaligen Projekt, das Wissen über materialgerechte Entwürfe, bei anderen Projekten?
Die bewusste Arbeit an ganz bestimmten Materialeigenschaften des Werkstoffs Beton habe ich als sehr lehrreich empfunden. Diese Konzentration auf bestimmte Aspekte in einem für mich anfangs begrenzt scheinenden Themenfeld eröffneten plötzlich Unmengen an Weiterentwicklungspotentialen. Auch wenn ich im Moment kein explizites Beispiel nennen kann, glaube ich schon, dass meine darauf folgenden Entwürfe davon beeinflusst wurden oder noch werden. Gerade wenn es darum geht, an materialspezifischen Komponenten in Entwürfen zu feilen!

Auch die unterschiedlichen Herangehensweisen der anderen Preisträger an den Wettbewerb haben mir ein breites Spektrum der Möglichkeiten zum Arbeiten mit Beton aufgezeigt und mein Wissen über Beton sehr stark erweitert.

 

„Stadtspaziergang“ zur Analyse der Stadt, Istanbul, August 2010.

Wenn Du das diesjährige Thema „Energy“ hörst, welche Assoziationen hast Du spontan dazu?
…an die Aufbruchsstimmung, welche Patrick Stewarts mit Hilfe seines deutschen Synchronsprechers in einer Science-Fiction-Serie verkündet –  „:)“ …
Und auf den zweiten Blick versuche ich mir etwas vorzustellen, das bewegt und selbst ständig in Bewegung ist – verbindet und ausgleicht. Etwas, das einen universellen Charakter besitzt. Energie ist ein Begriff oder Wert, der gerade heutzutage in der Debatte um Nachhaltigkeit für mehr als nur eine physikalische Größe stehen muss!

Was hältst Du generell davon, sich an Studentenwettbewerben zu beteiligen?
Ich finde es gut, wenn aktuelle gesellschaftliche Fragestellungen öffentlich formuliert zur Mitarbeit einladen! Deshalb ist es meiner Meinung nach auch wichtig, dass von Seiten der Teilnehmer ein echtes Interesse an den Wettbewerbsthemen vorhanden ist und man sich mit der Fragestellung identifizieren kann. Entscheidend ist doch, dass die Arbeiten als ein Beitrag zu einer ganzheitlichen Entwicklungen angesehen werden und möglicherweise neuartige Anstöße liefern können.

So bekommt man eine Plattform, um seine Arbeiten – und bestenfalls seine Ideale – über universitäre Strukturen hinaus zu kommunizieren.

Was war für Dich und Deine Mitstreiter die spannendste Erfahrung beim Wettbewerb oder dem Workshop?
Sprichwörtlich der tägliche Gang über den roten Teppich! Die „Fashion Week Istanbul“ fand zufälligerweise zur selben Zeit im gleichen Gebäude statt – so dass wir neben dem obligatorischen roten Teppich auch ein abwechslungsreiches Nebenprogramm hatten…

Davon abgesehen war die Stadt Istanbul unglaublich spannend!

Was kann Beton, was kein anderes Material kann?
Durch seine vielen Facetten ein festgelegtes Verständnis zur Monofunktionalität von Materialien und dessen Einsatzmöglichkeiten aufbrechen! Es ist eigentlich schade, dass man der so schlicht daherkommenden grauen Masse oft seine Besonderheiten nicht ansieht…

Vielen Dank für das Gespräch.

Die Preisträger des 4. Concrete Design Competition 2009/2010 für Deutschland: Lukas Stopczinsky, Simon Scheithauer, Moritz Niklaus und Ljuba Tascheva bei der Preisverleihung in Berlin.

Informationen zu allen Preisträger 2010 hier.