12 Meter ragt der Betonturm auf, mitten in der idyllischen Eifellandschaft. Ein Fremdkörper? Im Gegenteil. Der wuchtige Monolith wurde in traditioneller Bauweise aus Stampfbeton aufgeschichtet, wochenlang, mit Händen und Füßen. Die „Bruder-Klaus-Kapelle“ von Architekt Peter Zumthor ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie moderne Architektur mit einer Jahrhunderte alten Bautechnik kombiniert werden kann.

Außenansicht der Bruder Klaus-Kapelle in Wachendorf / Foto: Willem-Jan Beeren

Außenansicht der Bruder Klaus-Kapelle in Wachendorf / Foto: Willem-Jan Beeren

Mit Beton realisieren Planer heute immer kompliziertere Bauaufgaben. Doch „Bauen mit Beton“ bedeutet nicht zwangsläufig „höher, schneller, weiter“. Das beweist der fensterlose Andachtsraum bei Wachendorf. Der Schweizer Architekt wählte bewusst Baumaterialien aus der Eifel, aus denen durch aufwändiges Stampfen traditioneller Stampfbeton in moderner Formensprache wurde.

Der Bauablauf der Bruder Klaus-Kapelle im Überblick

  • Ein „Zelt“ aus 112 aneinander gelehnten Fichtenstämmen wird als innere Schalung errichtet.
  • Um die Innenkonstruktion wird eine senkrechte, äußere Schalung aufgebaut.
  • Pro Tag wird eine ca. 50 cm dicke Stampfbetonschicht eingefüllt und von Freiwilligen durch Stampfen mit Händen und Füßen verdichtet. Nach gut drei Wochen ist die 12 m hohe Kapelle errichtet.
  • Mit einem langsamen „Köhlerfeuer“ werden über weitere drei Wochen die Fichtenstämme im Inneren herausgebrannt. Der Beton wird dabei nicht geschädigt, zurück bleibt die verrußte Innenansicht.
  • Die für den Bau erforderlichen Stege (zwischen innerer und äußerer Schale ) werden nach der Freilegung mit Glassteinen ausgefüllt. Diese „Lichtpunkte“ strukturieren und gliedern den natürlich belichteten Raum.
"Verlorene Schalung" à la Zumthor: Die herausgebrannten Fichtenstämme bilden die geschwärzte Innenansicht der Kapelle / Foto: Willem-Jan Beeren

"Verlorene Schalung" à la Zumthor: Die herausgebrannten Fichtenstämme bilden die geschwärzte Innenansicht der Kapelle / Foto: Willem-Jan Beeren

Geschichtete Wände

Vorschriftsmäßig hergestellter Stampfbeton ist sehr dauerhaft. Aufgrund dieser Eigenschaft wurde Stampfbeton für die Herstellung großer Fundamente eingesetzt, z. B. für Widerlager. Im Brückenbau wurde das Material vor allem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts genutzt. Es entstanden beeindruckende Bauwerke wie die Donaubrücke bei Munderkingen von Carl von Leibbbrand (1893, 50 m Bogenspannweite) oder die Illerbrücke Kempten (1906) mit 64 m Bogenspannweite. Im 20. Jahrhundert wurde die Stampfbeton-Technik dann vom Stahlbeton verdrängt.

Bauwerke aus Stampfbeton entstehen schichtweise. Und sie wachsen langsam: Pro Tag wird in der Regel eine Schicht (meist nur 15 bis 25 cm dick) eingebracht und gestampft, bis eine homogene, geschlossene Betonoberfläche entstanden ist. Die Schicht erhärtet langsam und wird am nächsten Tag aufgeraut, gereinigt und befeuchtet, damit die nächste Schicht gut haftet. Sie sollte erst aufgetragen werden, wenn die darunterliegende Schicht ausgehärtet ist, damit keine unschönen „Vorwölbungen“ entstehen.

Für Stampfbeton-Bauteile kommt erdfeuchter Beton zum Einsatz, er ist also viel trockener als heutzutage im Hochbau üblich. Dabei ist die Homogenität und Geschlossenheit der jeweiligen Schicht wichtig: Unregelmäßig verdichteter Stampfbeton kann zu unregelmäßigen Außenflächen führen, die sich später nicht mehr reparieren lassen. Früher wurde Stampfbeton vor allem mit den Füßen verdichtet und kam so zu seinem Namen. Heute gibt es für das Verdichten spezielle Werkzeuge. Sie sorgen nicht nur für eine bessere Materialkonsistenz, sondern entsprechen auch den heutigen Anforderungen des Arbeitsschutzes.

Schicht für Schicht: Stampfbeton-Wand der Bruder Klaus-Kapelle / Foto: Willem-Jan Beeren

Schicht für Schicht: Stampfbeton-Wand der Bruder Klaus-Kapelle / Foto: Willem-Jan Beeren

Stampfbeton in der Garten- und Landschaftsarchitektur

Heute wird die Stampfbeton-Technik gerne von Landschaftsarchitekten eingesetzt. Dies hat sowohl technische, als auch gestalterische Gründe: Stampfbeton ist – konstruktiv gesehen – „unbewehrter Beton“ und eignet sich daher gut für Stützwände oder reine Begrenzungswände. Der natürliche Charakter und die „erdige“ Farbgebung passt harmonisch zum Grün von Pflanzen und Bäumen.

Während in der Eifel die Stampfbeton-Kapelle empor wuchs, baute Architekt Zumthor die Gartenmauer des Kolumba-Museums – aus Stampfbeton. Die Idee dahinter: Die sorgfältig ausgeführte, fein geliederte Museumsfassade und die eher grob wirkende Stampfbetonmauer bilden einen spannungsvollen Kontrast.

Zumthors Stampfbeton-Mauer im Garten des Kolumba-Museums in Köln / Foto: Tim Brown Architects

Zumthors Stampfbeton-Mauer im Garten des Kolumba-Museums in Köln / Foto: Tim Brown Architects

Monolithische Baukörper in Naturfarben

„Farbeffekte“ wie die beige-bräunliche Tönung der Kolumba-Gartenmauer entstehen, wenn Ziegelsplitt oder „farbige“ Sande als Zuschlagsstoffe verwendet werden. Scharfkantige, natürliche Gesteinsarten mit aufgerauten Oberflächen haften gut und bieten sich daher als Zuschlagsstoffe an, sofern sie nicht zuviel Wasser aufnehmen.

Auch beim Bau der Eifel-Kapelle wurden die Zuschlagstoffe nicht zufällig gewählt: Dem Architekten Peter Zumthor war es wichtig, hierfür Kies und Erde aus der Nachbarschaft zu verwenden. Ein kleines, aber entscheidendes Detail. Nicht zuletzt aufgrund der „Materialverwandschaft“ mit der Region fügt sich der monumentale Bau gut in seine Umgebung ein.

Die kantige, monumentale Wirkung verdankt die Wachendorfer Kapelle einer besonderen Eigenschaft des Stampfbetons: Er schwindet aufgrund seiner hohen Dichte fast nicht, folglich bilden sich kaum Risse. Für Bauwerke und Bauteile aus Stampfbeton hat das einen großen Vorteil: Sie sind wenig anfällig für Formveränderungen und wirken monolithisch – es entstehen imposante Baukörper „aus einem Guss“.