Gestern startete die Ausstellung der prämierten Arbeiten von „Wissen schafft Stadt“, einem Studenten-Wettbewerb, den der Lehrstuhl „Städtebau und Entwerfen“ der Universität Stuttgart durchgeführt und betreut hat. Ausgelobt hatte die HeidelbergCement AG. Aufgabe des Wettbewerbs war die Erstellung eines Masterplans für die Stadt Heidelberg. Teilgenommen haben Studierende des Fachbereichs Architektur im Rahmen einer Studienarbeit. Till Krüger gewann (den mit Jennifer Maier geteilten) ersten Preis des mit 5.000 Euro dotierten Wettbewerbs. Wir sprachen mit Till über seine Vision für die Stadt Heidelberg und kommende Anforderungen an Stadtplanung und Architektur.

Besichtigung von Studenten-Wohnheimen am Neckar

Foto: Stephan Anders, Städtebau-Institut - Universität Stuttgart


Kannst du kurz beschreiben, worin die Aufgabe des Wettbewerbs bestand?
Gefordert war die Umsetzung einer neuen Identität der Stadt Heidelberg als Wissenschaftsstadt und die städtebauliche Ausarbeitung dieser Vision. Es galt hierfür ein städtisches Gesamtkonzept zu formulieren, das zum einen neue Ansätze liefert, zum anderen für die Stadt bereits bestehende Planungen kritisch hinterfragt und positive Vorschläge gegebenenfalls in den eigenen Entwurf integriert oder fortführt. Zudem waren einzelne Teilgebiete in detailierterem Maßstab zu bearbeiten – speziell im Stadtteil Bergheim, rund um den Heidelberger Hauptbahnhof. Dieser Bereich soll durch seine Lage und künftige Nutzungen eine zentrale, verbindende Rolle im Heidelberg der Zukunft einnehmen.

Welche Entwicklung hast du vorgeschlagen?
In meiner Arbeit habe ich den Versuch aufgezeigt, die beiden großen Leitthemen der Stadt: „Stadt am Fluss“ und „Wissen schafft Stadt“ im Konzept „Wissen schafft Stadt am Fluss“ zu vereinen. Ausgangspunkt des Konzepts bilden die Hochschulstandorte der Stadt, die gemeinsam mit wichtigen Dienstleistungsstandorten eine kompakte Figur entlang des Neckars formen. Zusammen mit zentralen Wohngebieten soll eine Wissenschaftskernstadt ausgebildet werden, die das eben genannte städtebauliche Leitbild formuliert.

Heidelberg

Foto: Stephan Anders, Städtebau-Institut - Universität Stuttgart

Was ist stadtplanerisch das Besondere an Heidelberg?
Heidelberg hat eine Vielzahl städtebaulicher Besonderheiten. Für ein neues städtebauliches Konzept springt insbesondere die Lage am Neckar ins Auge und zwar vor allem deshalb, weil hier z. B. durch eine mögliche Uferaufwertung ein noch nicht ausgeschöpftes Potenzial der Stadt liegt. Weiterhin ist das romantische Bild der Altstadt mit der Schlossruine am Neckar charakteristisch. Heidelberg ist eine der wenigen deutschen Städte die den 2. Weltkrieg nahezu unversehrt überstanden haben. Darüber hinaus fallen die sehr heterogenen Stadtteilgebiete auf, die alle ihre besonderen Eigenschaften aufweisen. In Zuge der Idee „Wissenschaftsstadt“ gilt es ferner, die unterschiedlich ausgebildeten Hochschulstandorte in den Fokus zu nehmen. Teilweise befinden sie sich innerhalb des zentralen Bereichs der Innenstadt. Teilweise bestehen sie als Wissenschaftstrabanten außerhalb oder am Rand der Stadt. Im Moment besteht vor allem durch die insgesamt eher ungünstige Verkehrsführung eine stark ausgeprägte Trennung zwischen den einzelnen Stadtteilen. Interessant in Heidelberg sind auch die Konversionsflächen, die aufgrund des baldigen Abzugs der US Armee eine neue Nutzung suchen sowie die „Bahnstadt“, als neues Stadtentwicklungsgebiet, das wohl Grundstein und Vorreiterrolle für die Entwicklung des zukünftigen Heidelbergs darstellt.

Was bedeuten das Konzept „Wissen schafft Stadt am Fluss“ und die vorgefundene städtebauliche Situation konkret für den Masterplan?
Um Heidelberg als Wissenschaftsstadt am Neckar zu profilieren schlägt mein Entwurf eine Bündelung des Hauptverkehrs durch eine Innenstadtumfahrung und eine fünfte Neckarbrücke vor. Zudem gilt es, die interne Vernetzung der Kernstadt zu optimieren und externe Anbindungen zu den außen liegenden Stadtteilen weiter auszubauen, um eine Stadt der kurzen Wege zu gewährleisten. Auch die Ufer des Neckars gilt es besser zu nutzen. So sieht mein Plan eine städtische Promenade und ein Erlebnisband vor. Zudem gilt es, eine fußläufige Nähe zwischen den Wissensstandorten zu erzeugen bzw. zu nutzen, um Kommunikationsräume zu schaffen, sowie hochwertige Architektur mit funktionaler Flexibilität auszubilden.

Sieht die „Wissenschaftsstadt “ Heidelberg anders aus als der „Rest“? Wie verbinden sich die verschiedenen Schichten der Stadt zu einem Ort für alle Bewohner?
Ich denke das Konzept einer „Wissenschaftsstadt“ sollte sich immer auf die gesamte Stadt beziehen. Trotzdem ist es natürlich sinnvoll, gewissen Bereichen Nutzungen zuzuordnen. Mein Konzept war es, die eben erwähnte Wissenschaftskernstadt auszubilden und diese dann mit den außen liegenden Stadtteilgebieten – hauptsächlich Wohnnutzung – möglichst nahtlos zu verbinden. Die gesamte Stadt zu e i n e m Ort für alle Bewohner umzugestalten, halte ich für schwierig bzw. eher unrealistisch. Vielmehr scheint es mir wichtig, spezifische Orte auszubilden, die von allen genutzt werden können. Als Beispiel hierfür kann der Entwurf um den Bahnhofsbereich mit seiner Nutzungsvielfalt dienen. Für die Wissenschaftsstadt ist es wichtig, optimale Verbindungen zwischen den einzelnen „Bildungsorten“ auszuprägen. Dies muss vor allem durch den öffentlichen Raum geschehen. Aber auch andere Einrichtungen, wie beispielsweise kulturelle, erhalten hierdurch eine wichtige Rolle.

Plan aus der Arbeit von Till Krüger

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Wie wahrscheinlich ist es, dass sich deine Ideen im künftigen Stadtbild Heidelbergs tatsächlich wiederfinden werden?
Eine 1:1-Umsetzung meiner Ideen halte ich für unwahrscheinlich. Schließlich handelt es sich ja nur um eine studentische Arbeit über einen Zeitraum von drei Monaten und keinen 10-jährigen Planungsprozess eines mehrköpfigen Stadtplaner-Teams. Dennoch denke und hoffe ich, dass einige Gedanken aufgegriffen werden können. Vielleicht hat meine Arbeit ja ein paar neue Ideen hervorgebracht, die den Verantwortlichen als Denkanstoß dienen können. Natürlich bin ich sehr gespannt, wie sich Heidelberg in Zukunft tatsächlich entwickeln wird. Vielleicht erkenne ich ja einmal „das ein oder andere“ wieder.

Lösen wir uns einmal vom Wettbewerb und fragen dich als „jungen Stadtplaner“: Beeinflusst die Digitalisierung des Alltags vieler Menschen die reale Gestaltung von Gebäuden bzw. die Entwicklung der städtischen Infrastruktur?
Die Digitalisierung wird natürlich durch den immer stärkeren Technologiefortschritt zunehmen. Ich denke die Digitalisierung ist in der städtischen Infrastruktur gerade erst angekommen und wird in Zukunft eine viel größere Rolle einnehmen. Welche technischen Errungenschaften sich langfristig beweisen werden, bleibt abzuwarten.

Wir sind ein Beton Blog. Darum natürlich zum Schluss auch noch die Frage: Was kann Beton aus deiner Sicht leisten, um die „Städte der Zukunft“ attraktiv zu gestalten?
Für mich ist Beton eines der schönsten Materialien und fasziniert mich vor allem durch seine Unaufdringlichkeit und die nahezu unzähligen Einsatzmöglichkeiten. Ich denke, dass in erster Linie in der Vielfalt der Einsatzmöglichkeiten ein besonderes Potenzial auch in Zukunft stecken wird.

Vielen Dank und alles Gute!

 

Till Krüger

Foto: Stephan Anders, Städtebau-Institut - Universität Stuttgart

Ausstellung der Wettbewerbsarbeiten „Wissen schafft Stadt“  
Ort: HeidelbergCement AG, Hauptverwaltung, 69120 Heidelberg, Berliner Straße 6 (Foyer);
Ausstellungsdauer: 7. November bis 20. November 2011
Zeiten: Montag – Freitag von 7.00 bis 18.00 Uhr;
Sonntag, 13.11., Samstag, 19.11., Sonntag, 20.11.2011 jeweils von 10.00 bis 14.00 Uhr
Anmeldung: für Einzelpersonen ist keine Anmeldung erforderlich;
bei Gruppen ab 15 Personen wird um telefonische Anmeldung gebeten, unter Tel. 06221/481-13550.