Ein „Atelierhaus für einen Künstler“ lautete die Entwurfsaufgabe im Fach Baukonstruktion: Die Studierenden von Professorin Anthusa Löffler an der HTWK Leipzig entwickelten im Wintersemester 2012/13 individuelle Häuser mit Wohn-, Arbeits- und Ausstellungsflächen. Geplant wurde mit Beton oder Stahlbeton, innovative Lösungen waren gefragt. Am Semesterende bewertete eine Jury die kreativsten bzw. überzeugendsten Arbeiten.
Nachdem es im ersten Semester um den Baustoff Holz und im zweiten Semester vorrangig um Mauerwerk ging, stand im dritten Semester das Thema „Beton“ auf dem Programm. „Schon in den Semesterferien hat Frau Prof. Löffler uns Material zum Thema Beton geschickt, mit dem wir uns vorbereiten konnten“ erinnert sich Elisabeth Pabst, die zusammen mit Christine Krohne ein Haus für einen Modedesigner entwarf (siehe unten). „Während des Semesters hatten wir dann jede Woche projektbegleitende Vorlesungen“.
Für ihren Semesterentwurf war den Teilnehmern zwar das Material vorgegeben, die Art und Weise der Umsetzung war jedoch völlig frei. Es galt, möglichst innovative Herangehensweisen und Nutzungen des Baustoffs zu entwickeln. Jedes Entwurfteam suchte sich einen eigenen Ort für sein Projekt und einen eigenen (fiktiven) „Bauherren“: So entstanden sehr unterschiedliche Atelierhäuser für Lichtkünstler, Bildhauer, Maler oder Modedesigner.
Das Projekt war nicht nur eine klassische Planungsaufgabe, sondern auch ein Wettbewerb, ausgelobt und unterstützt vom BetonMarketing Nordost. Insgesamt 28 Studentenprojekte wurden eingereicht. Die Jury vergab einen ersten, zwei zweite Preise und zwei Anerkennungen. Drei Arbeiten stellen wir hier kurz vor:
Platz 1: Stroh-Beton
Der 1. Preis ging an Paul Jäger und Tobias Kilz für ihr Projekt „Next: Housing Beton-Strohskulptur“ (Foto: siehe oben). Diese „Skulptur“ ist eigentlich ein Haus und liegt direkt an einem Kanal, auf einem komplett bewachsenen innerstädtische Grundstück in Leipzig. Das Haus ist für einen Bildhauer geplant. Sein Atelier hat große Öffnungen nach Norden und Raumhöhen von bis zu 4,20 m. Baumaterial: „Stroh-Beton“. Diese Entwurfsidee erklärt Paul Jäger so: „Haptik und Optik von Beton gefallen uns. Uns war aber auch wichtig, die Ökobilanz des Gebäudes zu optimieren. Denn normalerweise kommen ja künstliche Dämmstoffe zum Einsatz.“ Das wollten die beiden anders lösen und gaben ihrem Bildhauer-Atelierhaus wuchtige Wände (0,5 bis 0,75 m dick) mit einer außenliegenden Strohdämmung.
Von innen sind die Wände mit Lehm verputzt. „Der monolithische Baustoff passt gut zum Arbeitsmaterial des Bildhauers“ sagt Paul Jäger über die Materialwahl. Gehalten werden die Wände durch eine Bambus-Beton-Aufständerung: Die Bambus-Rohre sind mit Beton gefüllt und übernehmen auch den Lastabtrag für das Gebäude. Inspiriert zu dieser Lösung hat die beiden Studenten ein Pavillon-Projekt an der TH Stuttgart, das ebenfalls mit einem Tragwerk aus Beton-gefüllten Bambusrohren funktionert.
Das Atelierhaus besteht aus zwei Hälften – eine zum Wohnen, eine zum Arbeiten. Die Aufteilung des Gebäude-Ensembles ist trotzdem nicht auf diese Nutzung fixiert und ermöglicht auch andere Nutzungen. Innenwände sind herausnehmbar, auch an altersgerechtes Wohnen oder eine separate Vermietung haben die beiden gedacht und ihr Atelierhaus entsprechend flexibel geplant.
Die Entwurfsansätze der beiden sind sehr gut auf den abgegebenen Plänen ablesbar. Fast zweieinhalb Meter lang misst ein Blatt, auf dem die beiden viele Skizzen und Entwurfsideen untergebracht haben. Die fünfseitige PDF-Datei kann hier heruntergeladen werden.
2. Preis: Die Galerie
Wer Hogwarts liest, denkt an einen Bestseller und Kinohit aus England. „Ja, in sehr weitem Sinn hat unser Projekt auch etwas mit Harry Potter zu tun: Wer den Ort findet, ist würdig, dort zu sein …“ sagt Alexander Kempf über den Projektnamen „Streetart Hogwarts“, den er sich zusammen mit Gerry Schreiber ausgedacht hat. Denn wie die Zauber-Schule in Harry Potter ist die Galerie, die die beiden Architekturstudenten im Osten London planen, eigentlich unsichtbar. Zumindest fast: Sie liegt, gut versteckt hinter alten und neu gepflanzten Bäumen, auf einem schwer zugänglichen Restgrundstück zwischen Bahngleisen und der Brick Lane, einer angesagten Straße im Stadtteil Shoreditch. Auch die Platzierung des Baukörpers – halb oberirdisch, halb unterirdisch – basiert auf der Idee des „unsichtbaren“ Atelierhauses, denn man „soll es eben nicht gleich finden“ so Alexander. Das Haus ist dem (anonym agierenden) britischen Streetart-Künstler Banksy gewidmet. „Die Form und die Erschliessung des Gebäudes folgt dem Prinzip der Fluchtmöglichkeiten: Weil Streetart-Künstler oft illegal agieren, sind Fluchtmöglichkeiten in alle Richtungen wichtig … Wir haben dazu die Eckpunkte des Grundstücks verbunden und so die Erschliessung des Gebäudes entwickelt.“
Das Baumaterial: Die beiden sehen für die oberirdisch sichtbaren Gebäudeteile aufgerauhte Betonflächen vor. Sie werden nach und nach mit Moos bewachsen. Dadurch soll sich die CO2-Bilanz des Gebäudes verbessern. Die vermosten Oberflächen tragen aber auch zu dem gewünschten „Tarnkappeneffekt“ bei, das Atelierhaus ist durch das Moos im Brachland zwischen den Bahnflächen optisch besser geschützt.
Alle weiteren Informationen zu „Streetart Hogwarts“ (Pläne, Skizzen etc.) gibt es auch als PDF zum Herunterladen.
2. Preis: Ein Atelier für einen Modedesigner
Ein weiterer 2. Preis ging an Elisabeth Pabst und Christine Krohne für das Projekt „Sam Frenzel Atelier“. Sie haben für den deutsch-türkischen Modedesigner aus Kreuzberg ein innerstädtisches Atelier aus Sichtbeton geplant. „Um eine innovative Bauweise zu finden, haben wir im Netz recherchiert und auf den Seiten der ETH Zürich Informationen über die Arbeit mit recyclebaren Schalungen aus Sand und Wachs gefunden. Dieses Prinzip haben wir für unser Projekt übernommen.“ erzählt Elisabeth Pabst über die Herangehensweise an die Entwurfsaufgabe. „Die Sandform wird mit Hilfe eines Roboters computergesteuert ausgeformt und mit Wachs ausgegossen. Die Wachsform bildet dann die eigentliche Schalung, in die der Beton gegossen wird. Beide Materialien – Sand und Wachs – können anschliessend wiederverwendet werden.“
Die Aufteilung und die Grundrisse des Gebäudes wurden für die Anforderungen und die Abläufe im Modeatelier optimiert. Dabei haben die beiden Architekturstudentinnen auch auf die Details geachtet, um die Nutzung zu optimieren: „Im Innenraum haben wir die schalungsbedingt entstandenen horizontalen Fugen so angelegt, dass sie mit einem System aus Stahlschienen für die tägliche Arbeit des Designers genutzt werden können, z. B. um flexibel Entwurfszeichnungen oder Kleidungsstücke aufzuhängen.“
Hier gibt es Pläne, Ansichten, Projektbeschreibung als PDF zum Herunterladen
Neben den oben vorgestellten Projekten vergab die Jury noch zwei Anerkennungen. Sie gingen an Dominik Förtsch und Benjamin Hossbach für das Projekt „Flavin. Forum“ sowie an V. Leppert und C. Frömmingen für das Projekt „Wohnhaus und Atelier für Neo Rauch“.
Pläne und Erläuterungen zu allen genannten Projekten gibt es im Blog von Prof. Löffler.
Übrigens: Einige Studierende der HTWK Leipzig haben ihre Entwürfe für das Atelierhaus auch beim Concrete Design Competition 2012/13 („Next: Housing“) eingereicht.